Joachim Ley mit Dr. Marco Henry Neumueller

FiFo Talk mit Joachim Ley über globale Expansion mit Augenmaß, gelebte Innovationskultur und nachhaltige Verantwortung bei Ziehl-Abegg

Joachim Ley ist CEO der Ziehl-Abegg SE in Künzelsau.

Marco Henry Neumueller: Herr Ley, Sie tragen seit September 2024 als CEO Verantwortung bei Ziehl-Abegg. Welche beruflichen oder persönlichen Erfahrungen haben Sie besonders geprägt, und wie beeinflussen diese Ihre Sicht auf das Unternehmen sowie dessen Zukunft?

Joachim Ley: Den Großteil meines beruflichen Lebens habe ich in den Bereichen Operations und Supply Chain verbracht. Ursprünglich habe ich Wirtschaftsingenieurwesen studiert und dadurch sowohl technisches als auch betriebswirtschaftliches Wissen erworben. Dieser Hintergrund erlaubt es mir, ganzheitlich zu denken und nicht nur aus einer rein funktionalen Perspektive heraus zu handeln. Als CEO ist es für mich entscheidend, die bewährten Stärken des Unternehmens zu bewahren – vor allem Qualität, Zuverlässigkeit und Termintreue gegenüber unseren Kunden. Gleichzeitig müssen wir die Internationalisierung weiter vorantreiben, näher an unsere Kunden rücken und global agieren, um flexibel und schnell auf die Bedürfnisse außerhalb Europas reagieren zu können.

Marco Henry Neumueller: Ziehl-Abegg ist ein gewachsenes Familienunternehmen mit über 100-jähriger Geschichte und weltweit tätig. Was macht für Sie den besonderen „Spirit“ dieses Traditionsunternehmens aus, und wie erhalten Sie in Zeiten globaler Expansion die familiären Werte?

Joachim Ley: Ein entscheidender Faktor für Ziehl-Abegg ist Innovation. Über unsere mehr als 100-jährige Geschichte hinweg haben wir stets technologische Meilensteine gesetzt. Unser Kernbereich, die Lufttechnik, generiert etwa 90 Prozent unseres Umsatzes. Hier setzen wir konsequent auf Innovation, insbesondere mithilfe der Bionik, um Effizienz und Nachhaltigkeit unserer Produkte ständig zu verbessern. Unsere Mitarbeiter sind hierbei entscheidend, viele engagieren sich über Jahrzehnte hinweg intensiv für ihre Aufgaben, was enorm wertvoll und schützenswert ist.

Gleichzeitig zeichnet uns eine starke Mitarbeiteridentifikation mit dem Unternehmen sowie eine hohe Kundenorientierung aus. Diese Werte sind Teil unserer Unternehmenskultur und müssen aktiv gepflegt und in die neuen internationalen Standorte integriert werden. Das gelingt uns, indem wir diese Kultur bewusst leben und vor Ort vorantreiben.

Marco Henry Neumueller: Familienunternehmen legen häufig großen Wert auf eine enge Bindung zu ihren Mitarbeitenden. Wie fördern Sie als CEO eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit, und inwiefern spielen dabei die traditionellen Werte von Ziehl-Abegg eine Rolle?

Joachim Ley: Vertrauen ist für mich der zentrale Schlüssel zum Erfolg. Um Vertrauen aufzubauen, ist offene Kommunikation und respektvoller Umgang über alle Hierarchieebenen hinweg unverzichtbar. Wir befinden uns aktuell in einer Transformation, wie viele Unternehmen, und eine vertrauensvolle Unternehmenskultur setzt dabei enorm viel positive Energie frei.

Darüber hinaus legen wir besonderen Wert auf langfristige Mitarbeiterbindung. Wir investieren aktiv in attraktive Arbeitsbedingungen, moderne Arbeitsumgebungen und umfangreiche Weiterbildungsmöglichkeiten, um Fachkräfte langfristig bei Ziehl-Abegg zu halten. Das gilt sowohl für unsere Kernbereiche, wie die Produktentwicklung, als auch für alle anderen Unternehmensbereiche.

Marco Henry Neumueller: Ziehl-Abegg zählt zu den sogenannten „Hidden Champions“ in den Bereichen Ventilations- und Antriebstechnik. Wie schaffen Sie es, die Balance zwischen dem Bewahren bewährter Technologien und der Offenheit für neue Ideen und Produktinnovationen zu halten?

Joachim Ley: Dieses Spannungsfeld beschreiben wir mit dem Begriff Ambidextrie – also der Fähigkeit, sowohl bestehende Stärken kontinuierlich weiterzuentwickeln als auch proaktiv neue Entwicklungen und Technologien voranzutreiben. Wir verbessern unsere Kernprodukte ständig, indem wir beispielsweise Bionik, Elektronik, Elektromotoren und Aerodynamik intelligent kombinieren und so bestehende Leistungsgrenzen immer wieder neu definieren. So schaffen wir nicht nur Effizienzsteigerungen, sondern bieten unseren Kunden direkt messbare Vorteile.

Innovation darf bei uns nie ein Selbstzweck sein, sondern muss stets konkrete Verbesserungen für unsere Kunden bieten. Deshalb fördern wir in allen Unternehmensbereichen eine starke Kundenorientierung. Neben der Produktinnovation beschreiten wir auch neue Wege in der Markenkommunikation und nutzen soziale Medien aktiv, um Ziehl-Abegg als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren – etwa durch unsere Präsenz auf TikTok oder Engagement im Bereich E-Sports. Solche Aktivitäten stärken unsere Sichtbarkeit erheblich.

Marco Henry Neumueller: Gerade in Familienunternehmen geht es oft nicht nur um kurzfristige Gewinne, sondern um den langfristigen Erhalt und nachhaltiges Wirtschaften. Welche konkreten Nachhaltigkeitsziele verfolgt Ziehl-Abegg aktuell – und welche Rolle spielt dabei Ihre persönliche Überzeugung?

Joachim Ley: Nachhaltigkeit ist bei Ziehl-Abegg tief verankert, und zwar nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich. Als Familienunternehmen wollen wir langfristig unabhängig bleiben, was nachhaltiges Wirtschaften erfordert. Unsere Produkte leisten durch ihre hohe Energieeffizienz direkt einen Beitrag zur CO₂-Reduktion und helfen gleichzeitig unseren Kunden, Kosten einzusparen und ihre eigene CO₂-Bilanz zu verbessern.

Wir haben kürzlich eine große internationale Investitionsinitiative durchgeführt und Produktionsstandorte in den USA, Polen, Indien und Vietnam eröffnet, um näher bei unseren Kunden zu sein. Diese strategische Entscheidung reduziert Transportwege und verbessert dadurch deutlich unseren ökologischen Fußabdruck.

Unser Ziel ist es, bis 2030 die Ziele zu erreichen, die aus dem Pariser Klimaabkommen mit der angestrebten Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad abgeleitet sind. Wir sind zuversichtlich, dass wir dieses Ziel erreichen können.

Marco Henry Neumueller: Wenn Sie an die nächsten fünf bis zehn Jahre denken: Wohin möchten Sie das Unternehmen führen und welche Spuren möchten Sie als CEO von Ziehl-Abegg hinterlassen? Gibt es ein persönliches Leitmotiv, das Sie dabei antreibt?

Joachim Ley: Mein Ziel ist es, dass Ziehl-Abegg weiterhin als weltweit führender Innovator im Bereich Luft- und Antriebstechnik wahrgenommen wird. Wir wollen kontinuierlich technologischen Fortschritt vorantreiben, neue Märkte erschließen und stärker wachsen als der Marktdurchschnitt. Zudem soll das Unternehmen langfristig resilient und finanziell stabil aufgestellt sein.

Ich wünsche mir, dass unsere Mitarbeiter weiterhin ein offenes, vertrauensvolles Miteinander pflegen, eine starke Bindung zum Unternehmen spüren und mutig genug bleiben, um auch Fehler zu machen – denn das ist wesentlich für unsere Innovationskraft und Geschwindigkeit. Persönlich möchte ich aktiv die Zukunft gestalten, anstatt nur auf Veränderungen zu reagieren.

Marco Henry Neumueller: Ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch.

Kommentar veröffentlichen